Freitag, 8. Juni 2012

Zwischenbilanz nach 2 Jahren

Nun werkle ich schon 2 Jahre in meiner Kellerwerkstatt herum. Dabei habe ich viel gelernt und ich versuche hier einfach einmal festzuhalten was mir in noch einmal 2 Jahren sicher ganz normal vorkommen wird und ich wahrscheinlich auch vergessen habe. Vielleicht kann ich auch einige Fragen entschärfen die ein Anfänger sich stellt und einen Beitrag dazu leisten, dass der ein oder andere sich traut in dieses faszinierende Hobby einzusteigen.

Am Anfang steht das Interesse ...
... nicht nur für den Werkstoff Holz, sondern auch für eine praktische Betätigung. Mir ist aufgefallen, dass viele Hobbyschreiner intellektuelle Berufe ausüben und sich dann den Ausgleich in der Werkstatt holen. Das heißt aber keinesfalls, dass man das Werkeln mit Holz ohne zu Denken ausüben kann. Ein wichtiger Aspekt beim Herstellen von Objekten aus Holz ist die Planung. Hier wird der Hobbyschreiner zum Makro-Unternehmer und das ist meines Erachtens ein wichtiger Aspekt des Ausgleichs. In den Unternehmen in denen wir arbeiten verrichten wir bestenfalls Projekt-orientierte Arbeiten, aber wir bleiben in der Regel Teil eines Systems das uns den Rahmen vorgibt und uns von vielen Aufgaben entlastet. Oder wer hat schon mit geholfen das Gebäude in dem er arbeitet zu planen oder gar zu bauen und einzurichten? Genau das tut aber der Hobbyschreiner wenn er seine "Keller-Firma gründet" und das gibt ihm eine ungeheuere Genugtuung. Bevor er aber überhaupt etwas "produzieren" kann, muss er das Umfeld dafür schaffen und dann kommt die ...

Provisorische Werkstatt ...
... die am Anfang eine eroberte Ecke im Keller sein kann, oder ein Teil des Dachbodens oder ein Stück der Garage. Meistens fängt es klein an, so auch bei mir. Mein erster Arbeitsbereich war ein 2 Quadratmeter großer Bereich im Keller in dem ich mit total unzulänglichen Werkzeugen den Prototyp einer CNC Fräse gebaut habe. Vielleicht interessiert sich dann die bessere Hälfte für die Fähigkeiten ihres Partners und gibt ein Regal oder Ähnliches in Auftrag. Das motiviert natürlich ungemein! Aber das Wissen und das Werkzeug sind doch unzulänglich! Jetzt beginnt man sich in die Materie zu vertiefen ...

Lesen, lernen, begreifen, ...
... und man stürzt sich ins Internet und kauft Bücher. Jetzt kommt die große Verwirrung: Die Holzverarbeitung ist unvorhergesehen komplex. Hier hilft dann wieder der "erste Auftrag" um sich zu fokussieren. Dieses Fokussieren ist überhaupt ein sehr wichtiger Aspekt damit Projekte gelingen. Was brauche ich wirklich um ein ganz klar umrissenes Projekt auszuführen? Welches Wissen fehlt mir, welches Material, welches Werkzeug benötige ich. Am Anfang glaubt man aber, dass man alles Mögliche braucht und man riskiert zuviel oder falsch zu kaufen. Hier können Foren oder ein bekannter Schreiner eine grosse Hilfe leisten sofern man nicht beratungs-resistent ist. Allerdings birgt die Beratung auch Gefahren. So gibt es bei den "Beratern" zwei grundsätzlich verschiedene Ansichten ...

Maschinen oder Handwerkzeug für den Einstieg?
Ich wage mal zu behaupten: Maschinen! Warum? Wegen dem Erfolgserlebnis was der Anfänger und sein "Auftraggeber" brauchen beim ersten "richtigen" Projekt um nicht den Mut zu verlieren. Jetzt gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder man ist sich seiner Sache so etwas von sicher, dass man das richtige Hobby gewählt hat und dann langt man richtig zu, oder man fokussiert wieder einmal! Ich habe vor 2 Jahren zugelangt und dann ein Jahr später noch einmal aber ich war mir sicher, dass es mein "letztes" Hobby sein würde. Ich muss vehement der Fraktion widersprechen die behauptet man solle doch zuerst das "Handwerk" lernen bevor man zu Maschinen greift. Der Hobbyschreiner wird aber kaum die Zeit haben eine "Lehre" mal so nebenbei am Wochenende nachzuholen ausser er akzeptiert, dass er die ersten 10 Jahre Nichts ausser Probestücken herstellt. Warum sollte es denn mit Maschinen gelingen? Ich setzte voraus, dass der Aspirant wenigstens einmal Papas alte Black&Decker Kreissäge in der Hand hatte und weiss wo bei der Bohrmaschine hinten und vorne ist denn sonst kann das böse enden. Nun es gibt mittlerweile Handmaschinen mit denen man fast nichts mehr falsch machen kann und dazu gehört sicher nicht ...

Die Stichsäge ...
... die bei mir ganz klar die am wenigsten benutzte Maschine ist. Leider gaukeln diese Hochglanz-"Du-Schaffst-Das"-Magazine dem Aspiranten vor, dass er mit der Stichsäge den Gral des Hobbyschreiners in Händen hält. Überhaupt sind die Baupläne in besagten Magazinen eigentlich nur etwas für Fortgeschrittene, die sich die fehlenden Details in der Anleitung denken können. Der Anfänger ist aber meistens hoffnungslos überfordert. Dagegen ist ...

Die Tauchsäge mit Führungsschiene ...
... wahrscheinlich eine der Handmaschinen bei der das Resultat auch bei einem Grob-Motoriker stimmen sollte. Man kann eigentlich mit dieser Maschine nicht daneben sägen. Führungsschiene an die angezeichnete Linie und sägen. Fertig! Aber Achtung! Das heisst nicht, dass man nichts falsch machen könnte. Gefährlich sind alle Maschinen ... und Handwerkzeug übrigens auch! Nur nebenbei: Ich habe mir meine schlimmsten Verletzungen mit Handwerkzeug zugezogen: runtergefallener Stechbeitel schneidet in die Wade, abgesprungene Japansäge schneidet in den Daumennagel, runtersausender Photoapparat (!) auf Stativ zermanscht Haut zwischen 2 Finger (Autsch). Verletzungen bleiben wahrscheinlich auch nicht aus, aber die Vorsicht beim Benutzen von Maschinen muss ungleich höher sein als mit Handwerkzeug. Ein Fehler an der Maschine kann den ganzen Finger und mehr kosten, wobei ich nicht glaube, dass ein normal veranlagter Mensch sich einen Finger mit einem Holzmeissel abtrennen könnte. Um das Gesägte verbinden zu können bedarf es wenigstens ein paar Dübel und Schrauben womit wir beim ...

Akku-Bohrschrauber ...
... wären der hier zwei Rollen übernimmt: Die der Bohrmaschine zum Bohren der Dübellöcher und vorbohren der Schraubenlöcher und die des Schraubers. Dazu gehören noch ein paar weitere Utensilien: Massband, Winkel, Leim, Dübel, Schrauben, Zwingen, Dübellehre, Arbeitsböcke, ... Man braucht viel "Kleinkram" und das geht ordentlich ins Geld.

Zwischenbilanz: Der erste "Auftrag", ein Kellerregal, ist ausgeführt und man ist ganz stolz, bis man ein ähnliches Regal im Baumarkt entdeckt welches nicht einmal den Preis des verwendeten Holzes kostet. Jetzt wage ich zu behaupten, dass man durch das Selbermachen ...

Keinen Cent gespart ...
... bekommt! Man investiert tausende von Euro in eine Ausrüstung mit der man vor allem Sachen bauen wird die man vielleicht überhaupt nicht gebraucht hätte (Himmelbett ...), oder in der Ausführung niemals gekauft hätte (Schmuckschrank ...) oder zu denen es keinen "Auftrag" gab (Werkstattschrank ...). Jetzt könnte man denken, dass sich die Ausrüstung bezahlt macht wenn man doch nur eine einzige vollmassive Einbauküche baut die locker 20000 € Wert hat, wovon 6000 € auf die Geräte fallen und der Rest auf die Schränke die ja nur 2000 € an Material gekostet haben: 12000 € gespart ... oder vielleicht nicht? Ohne die Möglichkeit diese Küche selber zu bauen, hätte es zwangsweise eine 8000 € Küche auch getan, weil das Budget ja 8000 € war, nur eben anders verteilt wurde: Ersparnis = 0! Es geht aber hier ganz klar NICHT um das Geld sondern den Spass und der ist unendlich viel wert. Wie geht es denn jetzt weiter mit der Werkstatt? Wir haben ja erst eine Säge und einen Akkuschrauber! Für den Möbelbau fehlt aber noch so einiges. Die Gefahr jetzt falsch zu investieren ist proportional zu der Vielzahl an ...

Werkzeug und Maschinen die man braucht ...
... um ordentlich Möbel zu bauen. Hier sollte man entscheiden ob man sich seiner Sache sicher ist oder nicht denn jetzt wird es richtig teuer. Baut man "nur" Plattenmöbel, dann reicht noch dazu eine anständige Oberfräse und eine Flachdübelfräse und spätestens hier sieht man ein, dass man eine mobile Absauge braucht. Dazu kommen noch diverse Fräser, Schablonen und Handwerkzeug. Möchte man Massivholzmöbel herstellen dann kommt man nicht an einer stationären Hobelmaschine und einer Tisch- besser aber Formatkreissäge vorbei und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht! Ich würde mal sagen, dass der Schritt vom Plattenbau zum Massivmöbel das Budget für die Ausrüstung locker verdreifacht! Hier erkennt man, dass man dabei ist sich eine kleine Schreinerei einzurichten. Jetzt wird es kritisch: Soll man nur hochwertig, neu, gebraucht, teuer, billig, Mittelklasse, ... kaufen? Diese Fragen entfachen immer unendliche Diskussionen und es gibt eigentlich nur eine richtige Antwort: Will man ein hochwertiges Resultat, dann braucht man hochwertiges Werkzeug, Punkt! Ob dieses Werkzeug nun neu, gebraucht, billig oder teuer ist, hat nichts zu sagen. Das ist jetzt aber gar keine Hilfe für den Aspiranten. Nun, es hilft nichts! Es gibt eben in allen Kategorien der Handwerkzeuge, Handwerkzeugmaschinen und (halb)stationären Maschinen verschiedenen Marken bei denen man nicht viel falsch machen kann. Ob das nun teuer oder weniger teuer wird, hängt davon ab ob man neu oder gebraucht kauft. Aber ...

Wieviel kostet ...
... eine gut ausgestattete Hobby-Werkstatt? Wenn man sich auf den Plattenbau begrenzt, dann kann es mit 5000-6000 € reichen bei Neukauf (!) der Ausrüstung. Für den Massivmöbelbau verdreifacht sich dann die Investition. Je nach Veranlagung zum Jagen nach Preisen kann man bei Gebrauchtkauf doch erheblich viel Geld sparen. Ob sich das auf lange Sicht lohnt wegen fehlender Garantie und Reparaturen weiss ich nicht. Ich habe bei meiner Werkstatt das Ende noch nicht erreicht, bin aber aus dem Gröbsten heraus. Es werden aber immer Sachen fehlen und manch einer wird auch einen Paradigmenwechsel, komplett oder teilweise, vornehmen und Maschinen durch Handwerkzeuge ersetzten.

Fazit
Es macht unheimlich viel Spass, aber erst seitdem ich Stationärmaschinen habe und mehr mit Massivholz mache. Da wird jeder seine Vorlieben mit der Zeit entwickeln und dementsprechend seine Werkstatt gestalten und ausrüsten. Es ist ein vernünftiges Hobby das einiges an Zeit und Geld verschlingt aber wo man etwas Dauerhaftes herstellt was einen mit Stolz erfüllt. Meine Erfahrungen mit gleichgesinnten Hobbywerkern sind, dass es durchweg interessante, kultivierte und weltoffene Menschen sind. Man kann jetzt dieses Hobby zurückgezogen in seinem Keller ausüben, aber dann verpasst man den bereichernden Kontakt mit anderen Holzwürmern. Bei all meiner Begeisterung für "kalte" Maschinen, erfreue ich mich sehr am Austausch mit Gleichgesinnten.

Ich hoffe, dass ich vielleicht auch mit meinem Blog dazu beitragen kann den "Funken" überspringen zu lassen und eventuell in dem ein oder anderen Leser, der sich hierher verirrt, etwas Interesse an diesem Hobby wecken kann.

7 Kommentare:

  1. Hallo Marc,

    sitze gerade mit einem Tee hier und lese genüsslich Deinen Bericht.

    Ich kann nur bestätigen wie recht Du hast.

    Damals meinte ich auch, als erstes muss eine gute Stichsäge her, Gott sei Dank, hat man mir das damals gründlich ausgeredet - soweit ein kleines Beispiel.

    Gut Geschrieben, supper Fazit.

    Danke

    Gruß

    Martin :o)

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  2. Hallo Marc,

    kurz und knapp: Das hast Du schön geschrieben!

    Grüße

    Michael

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  3. DU triffst es auf den Punkt. Als Informatiker kann ich auch sonst deinen Schilderungen nur zustimmen. Das Wochenende in der Werkstatt ist eine Art Akku aufladen für den Rest der Woche.
    Ich höre von Bekannten daher in letzter Zeit immer wieder den Satz "DU hättest doch Schreiner werden sollen". Ich bin mir aber ziemlich sicher, wäre das meine Arbeit, würde mit das Schreinern sicher nicht solchen Spaß machen.

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  4. Hi Marc,
    sehr treffender Bericht ;)
    Ich habe mir neulich in einem Möbelhaus für rund 300€ einen Palisander-Tisch gekauft. Da dieser für unsere couch zu hoch ist habe ich ihn "auseinander genommen" und wieder zusammengebaut. Was dort an Spachtelmasse, Drahtstiften und sonstigem Abfall zu Tage kam (Die Tischplatte wurde von oben genagelt...) bestätigt mich auch wieder in meinem Vorhaben nie wieder Möbel zu kaufen, wenn ich sie nicht irgenwie selbst bauen kann.
    1. Ich weiß was drin ist (das gilt nicht nur fürs Essen..)
    2. Ich komme dann wohl auf den gleichen Preis als hätte ich das Möbel direkt vom Schreiner bauen lassen, aber dabei hätte ich keinen Spaß ;)

    In diesem Sinne allen weiter gut Holz ;)

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  5. Hi Marc,

    hab in deinem Blog gestöbert und diesen Eintrag "entdeckt". Ich kann mich den anderen nur anschliesen. Du sprichst mir damit aus der Seele. Dieses Jahr habe ich einiges investieren müssen um vernünftige Geräte zu bekommen. Den Fehler mit der Stichsäge habe leider auch ich gemacht. Aber man lernt ja dazu...

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  6. Hi Marc,

    Guter Bericht.
    Allerings ziehe ich die Stiche für Kreise, oder geschwungene Formen der Oberfräse immer noch manchmal vor.
    Es muss nicht immer perfekt sein (bspw. ein neues Dekotierchen für die Tochter (man denke an einen ausgesägten Hasen zu Ostern...)). Und dann ist die Stiche absolut zweckmäßig.

    Gruß
    Martin

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  7. Bei den älteren Boschwerkzeugen stimmt die Qualität.
    Ich nutze blaue Boschgeräte gewerblich....mein Bohrhammer läuft schon 15 Jahre ohne Beanstandung( Hilti war mir zu schwer, gerade bei "über Kopf" Arbeiten), der 115er Winkelschleifer hat bisher auch nicht aufgegeben.

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